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Die Alten (Kodaly)

(Upload von Thomas Kerzel)

Zoltan Kodaly: Die Alten
(4stg. mit gelegentlichen Unterteilungen, 7 min., mittlerer 
Schwierigkeitsgrad. Musikalisch und inhaltlich ergreifendes Stück, das 
viele Konzertbesucher stark berührt.)

Wie einsam, verwaist die Alten sind! Ich seh’ ihnen nach gar oft aus 
dem Fenster, wenn mitten im Schnee, mit schwerer Reisiglast, matt sie 
sich heimwärts schleppen im Wind. Und wenn vorm Hause zur Sommerzeit 
so müd’ sie hocken im Sonnenscheine. Und wie sie den langen 
Winterabend still durchschlummern am Ofen gelehnt. Steh’n mit lang 
ausgestreckten Händen kummergebeugt vorm Kirchentore, herbstlich 
welken Blättern gleich im grauen Staube. Wenn sie auf Stöcken, 
schlotternd, tiefgebückt gehen durch die Gassen, frostig starrt sie 
selbst die Sonne an und wie seltsam klingt’s, wenn Leute rufen: Gott 
grüß euch, Alter!
Des Sommers Glanz, des Winters Frost, welkes Herbstlaub, Frühlings 
ergrünte Flur: Eins raunen ihnen alle zu: Lebenskessels verkohlte 
Asche, Lebenskarrens verdorrter Strohhalm, Lebensfeuers erlosch’ne 
Lohe, du bist aufgezehrt, du bist abgetan, du bist ausgebrannt.
Und streichelt ihre müde Hand lockenumrahmtes Kindergesicht, wie weh 
tut’s, zu wissen: diese Hand, die ewig sorgende, nimmer ruhende, 
Keiner, ach Keiner braucht sie auf Erden.
Und Sklaven sind sie. Schwere des Alters hält sie gefangen, Sklaven 
sind sie ihrer siebzig Jahre, der Jahre voll Schuld, voll Trübsal, 
Bitterkeit. Angstvoll harrend jenes oft ersehnten Tags, da eine gütige 
Hand, fürchterliche Hand, Widerspruch nicht duldende Hand also gebeut: 
Komm denn und ruhe, komm denn und ruh’ aus.
Verlag: Universal Edition


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