Händel, Samson (deutsch)
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Händel, Samson (deutsch)


Georg Friedrich Händel

SAMSON - ein Oratorium

SINFONIE

ERSTER AKT

SZENE I
- Samson blind und in Ketten. Chor der Priester des
 Dagon, die den Festtag des Gottes feiern.

Samson
Dieser Tag, ein feierliches Fest zu Ehren Dagons,
befreit mich von aller knechtischen Plackerei;
ungern nur gönnt mir ihr Aberglaube
diese Rast, um Himmelsluft zu atmen,
eine frische Brise, rein und süß.

Chor der Philister
Laßt erschallen den stolzen Klang der Trompete!
Der frohe heilige Festtag ist angebrochen,
an dem man Dagon zum König der Erde krönt.

Philisterin
(Arie - Andante)
Ihr Männer von Gaza, kommt herbei
mit dem frohen Klang der Flöten und Fiedeln!
Mit feierlichem Loblied und freudigem Gesang
laßt aller Zungen Dagon preisen!

Chor der Philister
Laßt erschallen den stolzen Klang der Trompete!

SZENE II
- Es treten auf: Micha, Samsons bester Freund, und einige
 Israeliten, die Samson beobachten.

Micha
(beiseite) Ach, diese Veränderung, die beispiellos, nicht
vorstellbar, kaum zu glauben ist! Seht, wie er dasitzt mit
gesenktem Haupt, ohne jede Unterstützung, verlassen,
jenseits aller Hoffnung! Kann er das sein, Samson, der
Heldenhafte? Den weder Menschenkraft noch die Wut
der wildesten Bestie je bezwingen konnte! Der den Löwen
zerriß wie der Löwe das Zicklein zerreißt! Der sich waffenlos
aufs eisengepanzerte Heere stürzte, daß selbst gehärteter
Stahl und Kettenhemden zwecklos waren?

(zu Samson) Du, unerreicht in deiner Kraft! Einst Israels
Ruhm, jetzt sein Gram! Wir, deine dir wohlbekannten
Freunde, sind gekommen, um dich zu sehen!
Samson
Willkommen, meine Freunde!

Micha
Was sollen wir zuerst beklagen,
deine Gefangenschaft oder das verlorene Augenlicht?

Samson
Ach, mein Augenlicht! Diesen Verlust beklage ich am
meisten! Schlimmer noch als bettelarm zu sein, vergreist
oder in Ketten! Meine Seele schmachtet in Finsternis!

(Cavata - Larghetto e staccato)
Völlige Dunkelheit! Keine Sonne, kein Mond, alles finster
bei vollem Mittagslicht!
Du glorreiches Licht! Kein aufmunternder Strahl, der mir die
Augen erfreute mit hocherwünschtem Tageslicht!
Weshalb nur war es Dein Ratschluß, daß ich so elend
beraubt bin? Nicht Sonne, nicht Mond noch Sterne kann
ich mehr sehen!

Chor der Israeliten
O du zuerst erschaffener Strahl! Und du großes Wort:
"Es werde Licht!": Ja, Licht ward überall; Ein einziges
himmlisches Strahlen ging um den ganzen Erdball: Schenke
deinem blinden Knecht neues Leben durch Licht!

SZENE III
- Manoah, Samsons Vater, tritt auf

Manoah
Ach, beklagenswerte Veränderung! Ist dies der Mann,
weithin gerühmt, der Schrecken der Feinde Israels?
Der mit der Kraft eines Engels Heere zum Duell
gefordert hat, ja, der selbst ein ganzes Heer war,
ist jetzt nicht einmal mehr fähig, die eigene Brust
zu schützen vor dem Speer eines Feiglings!

(Arie - Allegro)
Deine ruhmreichen Taten beflügelten mich,
und Freudengesänge entströmten meiner Zunge
Jetzt ist der Kummer der Grundton meiner Lieder,
und meine Harfe stimme ich nach dem Klang der Klage.

Samson
Zu Recht sind diese Übel deinem Sohne widerfahren;
einziger Urheber, einziger Anlaß bin ich - meine Reue läßt
mich kein Auge schließen, nicht an Ruhen denken; aber
nun soll der Hader ein Ende haben: nachdem ich besiegt
bin, wird Dagon mit Gott den Kampf aufnehmen wollen,
der diese Herausforderung nicht dulden, sondern sich bald
in seinem Zorn erheben und seinen großen Namen durch-
setzen wird! Dagon wird sich beugen müssen, trotz all der
vielgerühmten Trophäen aus den Kämpfen mit mir.
(Arie - Allegro)
Warum schläft der Gott Israels?
Erhebe Dich mit furchtbarem Getöse
und entsetzlichen Wolkenbergen!
Dann sollen die Heiden
Deinen grollenden Donner vernehmen,
laß das Unwetter Deiner Wut jetzt losbrechen,
laß Wirbelstürme voller Rache sie überwältigen,
bis alle Deine Feinde Scham und Verwirrung packt.

Chor der Israeliten
Dann werden sie erfahren,
daß Er, Jehova,
allein Herr über alle Welt ist,
der Höchste von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Manoah
Und du, mein innig geliebter Sohn,
mußt solange hier diese verhaßte Schmach ertragen?

Samson
Es sollte so sein! Warum muß ich noch leben? Bald soll
diese Augen doppeltes Dunkel umgeben:
Mein Lebenswille schwindet, alle Hoffnung ist dahin,
mein Körper ist seiner selbst überdrüssig,
meine Jagd nach Ruhm wie nach Schande ist vorüber,
der Tod, schon oft gerufen, soll meine Leiden enden und
mich freundlich zu den Entschlafenen führen.

Chor der Israeliten
Hoch hinauf zum Sternenthron,
zu Ihm, der allezeit allein regiert,
wird dann deine Seele aufsteigen. Vom Himmel selbst
geleitet, wird sie, ledig aller Erdenschwere und
mit Herrlichkeit gekrönt, auf ewig dort sein
und frohlocken über den Tod und über Dich, o Zeit!

ZWEITER AKT

SZENE I
- Samson, Manoah, Micha und Israeliten.

Manoah
Vertrau auf Gott! Dein fürsorglicher Vater
wird Mittel finden, dich zu befreien; einstweilen laß all die
Balsamworte deiner Freunde dich trösten.

(Arie - Allegro moderato)
Richtig sind Gottes Wege mit den Menschen,
laß dies Geheimnis bestehen.
Alles ist sehr gut,
auch wenn wir oft an dem, was seine Weisheit uns bringt,
zweifeln, so segnet er doch in seinem unerforschlichen
Ratschluß am Ende den Gerechten.

Samson
Ach, meine Leiden - es ist hoffnungslos!
Eins bleibt bloß zu erflehen:
ein rascher Tod, der all mein Elend beendet.

Micha
Erlöse, Gott, Deinen Kämpfer, das Ebenbild Deiner Kraft,
und wende seine Plagen zu einem friedlichem Ende!

(Arie - Andante)
Kehre zurück, o Gott der Heerscharen!
Sieh Deinen Knecht in seinem Elend an! Nimm seinen
ungeheuren Kummer hinweg, laß nicht zu, daß sich die
Heiden damit brüsten.
Chor und Micha
Sie treten seinen Ruhm in den Staub,
sie zählen ihn zu den Toten!
Kehre zurück, o Gott der Heerscharen!
Sieh Deinen Knecht in seinem Elend an!

SZENE II
- Samson, Micha, Auftritt Dalilas mit ihrem Gefolge
 von Jungfrauen.

Micha
Doch wer ist das? Die so geschmückt und unbeirrt
daherkommt, ganz wie ein imposantes Schiff?
Es ist Dalila, deine Frau!

Samson
Meine Frau? Meine Verräterin!
Laß sie nicht in meine Nähe!

Micha
Sie steht und blickt dich unentwegt an, den Kopf leicht
gesenkt wie eine schöne Blume, auf der Tau übermächtig
lastet. Sie weint; die Worte, die sie an dich richtet, sind
wie die Tränen, die den Saum des Seidenschleiers netzen.
Dalila
Vergib, was geschehen,
vergiß, was nicht zu ändern ist,
aus diesem Kerker komm schnell nach Hause zu mir,
wo mit verdoppelter Liebe und zärtlicher Sorge
- für mich eine freudige Pflicht - meine Jungfern
und ich dich pflegen werden bis ins höchste Alter.

(Arie - Larghetto)
Prüfe doch, Samson, meine Treue und Aufrichtigkeit,
und hör auf mich, hör auf die Stimme der Liebe!
Die Liebe bereitet keinem Sterblichen je Überdruß,
alles Glück ist gelebte Liebe.
Chor der Jungfrauen
Prüfe doch, Samson, ihre Treue und Aufrichtigkeit
und hör auf sie, hör auf die Stimme der Liebe!

Samson
Daran verschwende nur keinen Gedanken! Ich kenne dein
reizendes Geträller, all dein Getue, deine Ränke,
deinen Zaubertrank. Doch vergeblich: wo ich schon
einmal in die Falle ging, da scheue ich die Schlinge; diese
Ketten, diesen Kerker hier nenne ich einen Hort der Freiheit
verglichen mit deinem Haus!

Dalila
Laß mich doch näherkommen und wenigstens deine Hand
berühren.

Samson
Nein, bei deinem Leben, nein! Sonst entfacht die glühende
Erinnerung meinen ganzen Zorn und ich zerreiße dich in
Stücke. Bist du fern, vergebe ich Dir: Damit begnüge Dich
und geh! Genieße deine Falschheit: Leb wohl!

Dalila
Du bist für meine Bitten unzugänglicher als Wind und
Wellen; dein Zorn tobt wie ein ewiger Sturm. Warum sollte
ich dich in Demut um Frieden bitten, wenn du mich
verschmähst, meinen Namen niederträchtig beschmutzst?

(Duett - Allegro)
Dalila
Verräter der Liebe! Ich werde nicht länger
um Vergebung bitten, wenn man meine Bitte nur
verschmäht, laß ab von deinem Drohen!
Samson
Verräterin der Liebe! Ich will nicht länger
der Stimme der Verführerin lauschen,
laß ab von deinen Verführungskünsten!

(Dalila und ihre Jungfrauen ab.)
SZENE III

Micha
Sie ist fort! Diese Schlange! Ihr Giftzahn
wurde zuletzt doch noch sichtbar.

Samson
So laß sie gehen! Gott sandte sie nur hierher, um mich
noch wahnsinniger zu machen.

SZENE IV
- Micha und Samson

Micha
Kein Friedensgesäusel, kein besänftigendes Geraune,
nein, eine ungehobelte Sprache erwarte jetzt: Hier kommt
Harapha, ich erkenne ihn an seiner protzigen Art.

(Harapha und Philister treten auf)

Harapha
Ich komme nicht, Samson, um dir Beileid auszusprechen
für Dein Schicksal. Ich stamme aus Gath, Harapha nennt
man mich: Nun kennst Du mich. Von deiner ungeheuren
Kraft habe ich vieles gehört, was mir unglaublich
erscheint! Nicht wenig mißfällt es mir, daß wir niemals im
Feld aufeinanderstießen, um unsere Kräfte zu messen:
Da hätte ich gleich sehen können, ob du leibhaftig den
prahlerischen Gerüchten entsprichst.

Samson
Der rechte Weg, um dies herauszufinden, heißt nicht
sehen, sondern ausprobieren.

Harapha
Die Ehre, die ich im Kampf mit dir gewiß errungen hätte,
büße ich jetzt ein, einfach, weil man dich geblendet hat;
gegen einen Blinden zu kämpfen, ist unter meiner Würde.

(Arie - Allegro)
Ehre und Waffen verschmähen solchen Feind,
obgleich ich dich zerschmettern könnte mit einem Streich;
es wäre ein schäbiger Sieg, dich zu bezwingen, eine
Schande, mich deiner Niederlage zu rühmen!
Einen Kerl zu besiegen, der bereits halb tot ist:
solch billiger Triumph ist unter meiner Würde.

Samson
Bist du dafür hergekommen, eitler Prahlhans?
Nimm dich in acht! Meine Füße sind gefesselt,
doch meine Hände sind frei.
Du Fleischberg ohne jeden Mumm! Noch einmal
fordere ich, blind und in Ketten, dich zum Kampf!

Harapha
O Dagon! Soll ich mir Unverschämtheiten anhören, die ich
nicht gewohnt bin, und ihn nicht sofort totschlagen?

(Duett - Allegro)
Samson
Fort, ungehobelter Feigling, fort,
damit nicht Vergeltung dich zu Boden streckt,
bring dich in Sicherheit vor meinen Zorn!
Harapha
Verlaß dich bloß nicht auf deinen Gott,
der dich samt deiner Kraft in den Staub trat,
obwohl die Not so groß war.

Micha
Hier liegt der Beweis: Sofern Dagon dein Gott ist,
rufe ihn andächtigst sogleich zu Hilfe,
denn seine Ehre steht auf dem Spiel.
Soll er doch den Zauber brechen, der unserem Helden
seine Kraft verlieh. Dann weißt du, wessen Gott wahrhaftig
Gott ist: Dagon aus Menschenhand oder der Erhabene, zu
dem die Söhne Abrahams beten.

Chor der Israeliten
Höre, Gott Jakobs, Jehova, höre!
O rette uns, wir liegen im Staub vor Deinem Thron!
Israel zählt auf Dich allein,
rette uns und zeige, daß Du nahe bist!

Harapha
Dagon, steh auf! Eile zu Deinem heiligen Fest!
Die Ehre ruft, dieser Tag gestattet keine Rast.

Chor der Philister
Dem Singen und Tanzen ist dieser Tag geweiht,
so rühmen wir Deine Allmacht!
Schütze uns nun mit deiner mächtigen Hand
und verjage dieses Volk aus unserm Land!

Chor der Israeliten und Philister und
Dalila, Samson, Manoah, Harapha.
Auf seinem ewigen Thron herrscht
- Jehova/der große Dagon - über die Welt mit Macht.
Sein Donner grollt, der Himmel bebt, die Erde erstarrt,
die Sterne sind zutiefst erstaunt und bleiben unverwandten
Blickes stehen: - Jehova/der große Dagon - ist unter den
Göttern der Erste und der Letzte.

DRITTER AKT

SZENE I
- Samson, Micha, Harapha und der Chor der Israeliten.

Micha
Neues Ungemach! Harapha naht mit eiligem Schritt und
drohendem Blick.

Samson
Ich fürchte ihn nicht, auch nicht seine ganze Riesensippe!

(Harapha tritt auf)

Harapha
Samson, unsere Fürsten schicken mich, um dir zu sagen:
Heute bringen wir Dagon Opfer dar, mit Aufmärschen,
Feierlichkeiten und Spielen. Wir wissen, deine Kraft
übersteigt menschliches Maß. Komm also und gib eine
öffentliche Probe davon zur Zierde dieses großen Festes.

Samson
Ich bin Hebräer, und unsere Gesetze verbieten mir,
bei sinnlosen religiösen Riten zugegen zu sein.

Harapha
Die Antwort will verletzen; paß auf dich auf!

Samson
Auf mich? Bei meinem Gewissen und meinem Seelenfrie-
den! Hat mich etwa die Knechtschaft schon so gebro-
chen, daß ich derlei absurden Befehlen folge, ihnen den
Narren mache und ihrem Gott spiele?
Ich komme nicht.

Harapha
Meine Botschaft, eilig überbracht, duldet keinen
Aufschub!

(Arie - Pomposo)
Vermessener Sklave, ihren Zorn so zu reizen!
Bitte um Gnade,
oder Vergeltung ist fällig und
man sorgt mit einem unheilvollen Wort für Deinen Tod!
Vermessener Knecht, überlege gut, bevor es zu spät ist,
den unfehlbaren Pfeil des Schicksals noch abzuwehren!

Micha
Bedenke, Samson, die Lage ist gespannt
bis zu dem Punkt, wo alles entweder hält oder reißt.
Er ist fort, seine Gehässigkeit könnte die Fürsten anstecken.

Samson
Soll ich etwa das heilige Geschenk,
meine Kraft, - sie kehrt mit meinen länger werdenden
Haaren zurück - mißbrauchen, indem ich sie zu Ehren ihres
Gottes einsetze und so Heiliges vor Götzen entwürdige?

Micha
Wie du jetzt noch weiterkommen willst, übersteigt meine
Vorstellungskraft; der Himmel ist's allein, der uns und dich
noch retten kann.
Chor der Israeliten
Mit gewaltigem Donner, allmächtiger Gott, erhebe dich!
Hilf, Herr, oder Israels Held stirbt!
Nimm diesen Deinen Diener in Deinen Schutz
und rette, o rette uns um Deines Dieners willen!

Samson
Keiner Bitte werde ich nachkommen, die anstößig ist
oder eine Sünde ist nach unserem Gesetz. Brüder, lebt
wohl! Euer Besuch war angenehm, jetzt, bitte, geht!

Micha
So magst du handeln, wie es Seinem Ruhme am
besten dient.

Samson
Laß nun den Geist, der erstmals im Feldlager von Dan über
mich kam, mich in dieser Not beflügeln:
so werde ich Jehovas Ruhm verkünden!
Ihre Götzen werden fliehen vor Seiner Gegenwart,
zerstreut wie Schafe vor dem Gott der Heerscharen.

(Arie - Andante)
So ist es, wenn die Sonne aus ihrem wäss'rigen Bett,
noch ganz in wolkiges Rot gehüllt,
im Orient über die Wellen schaut!
Da werden alle Schatten, die unstet wandern,
totenblaß; in Scharen fliehen sie in ihre Höllenkerker,
gefesselt verschwinden die Geister in ihren Grüften.

Micha
Mit Macht, stärker als Menschenkinder,
schnell wie der Blitzstrahl, führe Seinen Auftrag aus,
verkündige Seinen Namen im ganzen Heidenrund!

SZENE II
- Micha, Manoah und der Chor der Israeliten

Manoah
O Micha, geh schnell, suche meinen Sohn und bring uns
gute Nachricht!

Eine Philisterin
Der Große Dagon hat unseren Feind unterjocht
und ihren hochgerühmten Helden gedemütigt;
So kündet seine Macht in himmlischen Tönen, lobt ihn mit
heiterem Sinn, mit lautem Beifall und mit Wein!

Chor der Philister
Der Große Dagon hat unseren Feind unterjocht
und ihren hochgerühmten Helden gedemütigt;
So kündet seine Macht in himmlischen Tönen, lobt ihn mit
heiterem Sinn, mit lautem Beifall und mit Wein!

EINE SINFONIE DES SCHRECKENS UND DER VERWIRRUNG
Manoah
Himmel, was für ein Lärm!
Fürchterlich laut, ganz anders als eben noch!

Chor der Philister
- in einiger Entfernung
Höre uns, o Gott! Höre unser Schreien! Tod, Verderben,
Zerstörung, keine Hilfe ist da, o Himmel, hab Erbarmen!
Wir gehen zugrunde, wir sterben!

SZENE III
- Michas tritt auf

Micha
Wohin soll ich jetzt fliehen, wohin rasen die
Gedanken bei diesem entsetzlichen Anblick?
O Landsleute! Ihr seid bei diesem erschütternden
Ereignis nur allzusehr beteiligt.

Manoah
Der Lärm war ungeheuer, wir wollen wissen, was es war.

Micha
Laßt mich erst Atem schöpfen; ich will's euch sagen.

Manoah
Erwarten wir eine Nachricht, ist Ungewißheit wie Folter:
also sprich!

Micha
Dann hört das Schlimmste - Samson ist tot.

Manoah
Wahrhaftig das Schlimmste!

Micha
Unverwundet starb er; er vernichtete die anderen und
wurde dabei selbst vernichtet; das Gebäude, in dem alle
Zuschauer versammelt waren, riß er ein,
und es begrub sie alle, auch ihn selbst!

Manoah
O letztlich allzu stark gegen dich selbst!
Schrecklich nahmst du nun Rache,
zwar ruhmreich, doch teuer erkauft.

Micha
(Arie - Largo assai)
Ihr Söhne Israels, nun klaget laut;
euer Speer ist zerbrochen,
euer Bogen ohne Sehne
und euer Ruhm dahin!
Unter den Toten liegt der große Samson,
für immer hat er seine Augen geschlossen!
Chor der Israeliten
Weine, Israel, weine noch mehr -
Samson, deine Kraft, dein Held, ist tot!

TRAUERMARSCH
Micha
Der Leichnam naht; wir wollen ihn am Weg erwarten mit
immergrünem Lorbeer und mit Palmzweigen;
dann legen wir ihn in sein Grab, schmücken es mit seinen
Siegeszeichen und besingen seine Taten in heroischen
Versen oder mit süßen lyrischen Melodien.

Manoah
Hier soll sich die tapfere Jugend Israels treffen, sich ihn als
Vorbild beispiellosen Heldenmutes nehmen und ihm zu
Ehren singen.

(Auftritt der Israeliten mit dem Leichnam Samsons.)

Manoah, Chor der Israeliten
(Solo und Chor - Largo)
Ruhmreicher Held, möge nun dein Grab
Frieden und Ehre allezeit genießen;
nach all dem Leiden, all dem Weh
finde nun ewige Rast und süße Ruh!
Chor der Jünglinge
Ruhmreicher Held, möge nun dein Grab
Frieden und Ehre allezeit genießen!
Micha
Jungfrauen werden an Festtagen sein Grab besuchen, es
mit Blumen schmücken und dort weinen über sein
unglückliches Los, das seine Heirat ihm brachte.
Chor der Jungfrauen
Bringt den Lorbeer, bringt die Kränze,
schmückt den Leichenwagen, bestreut die Wege!

Chor der Israeliten
Glorreicher Held, möge nun dein Grab
Frieden und Ehre allezeit genießen;
nach all dem Leiden und dem Weh
finde nun ewige Rast und süße Ruh!

Manoah
Kommt, kommt! Jetzt ist nicht die Zeit zum Klagen,
kein Grund zur Trauer: Samson starb wie er lebte,
im Leben wie im Tod ein Held. Seinen Feinden
bleibt das Verderben, ihm der ewige Ruhm.

Eine Israelitin
(Arie - Andante)
Laß alle Seraphim im glänzenden Rund
die lauten, himmelwärts erhobenen
Engelstrompeten blasen!
Laß die Schar der Cherubim in vollen
Chören ihre unsterblichen goldbesaiteten Harfen spielen!

Laß ihre himmlischen Harmonien allesamt
verschmelzen:

Chor der Israeliten
Laß ihre himmlischen Harmonien allesamt
verschmelzen
und sein Lob verkünden
in der Fülle ewigen Lichtes!








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