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Die Jahreszeiten (Haydn)

DER FRÜHLING
Die Einleitung stellt den Übergang vom Winter zum Frühling dar


1.
Rezitativ
Simon
Seht, wie der strenge Winter flieht!
Zum fernen Pole zieht er hin.
Ihm folgt auf seinen Ruf
Der wilden Stürme brausend Heer
Mit gräßlichem Geheul.
Lukas
Seht, wie vom schroffen Fels der Schnee
In trüben Strömen sich ergießt!
Hanne
Seht, wie vom Süden her,
Durch laue Winde sanft gelockt,
Der Frühlingsbote streicht!

2.
Chor des Landvolks
Komm, holder Lenz!
Des Himmels Gabe, komm!
Aus ihrem Todesschlaf
Erwecke die Natur.
Mädchen
Er nahet sich, der holde Lenz,
und Frauen Schon fühlen wir den linden Hauch,
Bald lebet alles wieder auf.
Männer
Frohlocket ja nicht allzufrüh!
Oft schleicht, in Nebel eingehüllt,
Der Winter wohl zurück und streut
Auf Blüt' und Keim sein starres Gift.
Alle
Komm, holder Lenz !
Des Himmels Gabe, komm!
Auf unsre Fluren senke dich!
Komm, holder Lenz, o komm
Und weile länger nicht!

3. 
Rezitativ
Simon
Vom Widder strahlet jetzt
Die helle Sonn' auf uns herab.
Nun weichen Frost und Dampf,
Und schweben laue Dünst' umher.
Der Erde Kraft ist nun erlöst,
Und lind und sanft die Lüfte wehn.

4.
Arie
Simon
Schon eilet froh der Ackersmann
Zur Arbeit auf das Feld;
In langen Furchen schreitet er
Dem Pfluge flötend nach.
In abgemessnem Gange dann
Wirft er den Samen aus;
Den birgt der Acker treu und reift
Ihn bald zur goldnen Frucht.

5.
Rezitativ
Lukas
Der Landmann hat sein Werk vollbracht
Und weder Müh' noch Fleiß gespart.
Den Lohn erwartet er
Aus Händen der Natur
Und fleht darum den Himmel an.

6. Bittgesang
Soli u. Chor
Sei uns gnädig, milder Himmel!
Öffne dich und träufe Segen
Über unser Land herab!
Laß deinen Tau die Erde wässern!
Laß Regenguß die Furchen tränken!
Laß deine Lüfte wehen sanft!
Laß deine Sonne scheinen hell!
Uns sprießet Oberfluß alsdann,
Und deiner Güte Dank und Ruhm.


7. Rezitativ
Hanne
Erhört ist unser Flehn:
Der laue West erwärmt und füllt
Die Luft mit feuchten Dünsten an.
Sie häufen sich; nun fallen sie
Und gießen in der Erde Schoß
Den Schmuck und Reichtum der Natur.

8. 
Freudenlied (mit abwechselndem Chor der Jugend)
Hanne
O wie lieblich ist der Anblick
Der Gefilde jetzt!
Kommt, ihr Mädchen,
laßt uns wallen
Auf der bunten Flur!
Lukas
O wie lieblich ist der Anblick
Der Gefilde jetzt!
Kommt, ihr Burschen, laßt uns wallen
Zu dem grünen Hain !
Hanne
Seht die Lilie,
Seht die Rose,
Seht die Blumen all!
Lukas
Seht die Auen,
Seht die Wiesen,
Seht die Felder all!
Mädchen und Burschen 
O wie lieblich ist der Anblick
Der Gefilde jetzt!
Laßt uns wallen
Auf der bunten Flur!
Laßt uns wallen
Zu dem grünen Hain!
Hanne
Seht die Erde,
Seht die Wasser,
Seht die helle Luft!
Lukas
Alles lebet,
Alles schwebet,
Alles reget sich.
Hanne
Seht die Lämmer,
Wie sie springen!
Lukas
Seht die Fische,
Welch Gewimmel!
Hanne
Seht die Bienen,
Wie sie schwärmen!
Lukas
Seht die Vögel,
Welch Geflatter!
Chor
Alles lebet,
Alle Alles schwebet,
Alles reget sich.
Mädchen
Welche Freude,
Welche Wonne
Schwellet unser Herz!
Burschen und Mädchen 
Süße Triebe,
Sanfte Reize
Heben unsre Brust.
Simon
Was ihr fühlet,
Was euch reizet,
Ist des Schöpfers Hauch.
Mädchen und Burschen 
Laßt uns ehren,
Laßt uns loben,
Laßt uns preisen ihn!
Männer
Laßt erschallen,
Ihm zu danken,
Unsre Stimmen hoch!
Soli 
Von deinem Segensmahle
Hast du gelabet uns.
Männer
Mächtiger Gott!
Soli 
Vom Strome deiner Freuden
Hast du getränket uns,
Gütiger Gott!
Chor
Ewiger, mächtiger, gütiger Gott!
Simon
Ewiger!
Lukas
Mächtiger!
Hanne
Gütiger Gott!
Chor
Ehre, Lob und Preis sei dir,
Ewiger, mächtiger, gütiger Gott!



DER SOMMER
Die Einleitung stellt die Morgendämmerung dar


9.
Rezitativ
Lukas
In grauem Schleier rückt heran
Das sanfte Morgenlicht;
Mit lahmen Schritten weicht vor ihm
Die träge Nacht zurück.
Zu düstern Höhlen flieht
Der Leichenvögel blinde Schar;
Ihr dumpfer Klageton
Beklemmt das bange Herz nicht mehr.
Simon
Des Tages Herold meldet sich;
Mit frohem Laute rufet er
Zu neuer Tätigkeit
Den ausgeruhten Landmann auf.

10.
Arie
Simon
Der muntre Hirt versammelt nun
Die frohen Herden um sich her;
Zur fetten Weid' auf grünen Höh'n
Treibet er sie langsam fort.
Nach Osten blickend steht er dann
Auf seinem Stabe hingelehnt,
Zu sehn den ersten Morgenstrahl,
Welchem er entgegenharrt.


11.
Terzett und Chor
Soli 
Sie steigt herauf, die Sonne, sie steigt,
Sie naht, sie kommt,
Sie strahlt, sie scheint.
Chor
Sie scheint in herrlicher Pracht,
In flammender Majestät!
Lobgesang
Chor, 
Heil, o Sonne, Heil!
Des Lebens Licht und Quelle, Heil!
O du, des Weltalls Seel' und Aug',
Der Gottheit schönstes Bild!
Dich grüßen dankbar wir!
Soli 
Wer spricht sie aus, die Freuden alle,
Die deine Huld in uns erweckt!
Wer zählet sie, die Segen alle,
Die deine Mild' auf uns ergießt!
Chor
Die Freuden, o, wer spricht sie aus?
Die Segen, o, wer zählet sie!
Hanne
Dir danken wir, was uns ergötzt.
Lukas 
Dir danken wir, was uns belebt.
Simon
Dir danken wir, was uns erhält.
Alle drei Dem Schöpfer aber danken wir,
Was deine Kraft vermag.
Chor
Heil, o Sonne, Heil!
Des Lebens Licht und Quelle, Heil!
Dir jauchzen alle Stimmen,
Dir jauchzet die Natur!
Solisten und Chor
Dir jauchzet die Natur!


12.
Rezitativ
Simon
Nun regt und bewegt sich alles umher,
ein buntes Gewühl bedecket die Flur.
Dem braunen Schnitter neiget sich der Saaten wallende Flut,
die Sense blitzt, da sinkt das Korn;
doch steht es bald und aufgehäuft in festen Garben wieder da.
Lukas
Die Mittagssonne brennet jetzt
In voller Glut und gießt
Durch die entwölkte Luft
Ihr mächtiges Feu'r in Strömen hinab.
Ob den gesengten Flächen schwebt
Im niedern Qualm ein blendend Meer
Von Licht und Widerschein.

13.
Cavatine
Lukas
Dem Druck erlieget die Natur.
Welke Blumen,
Dürre Wiesen,
Trockne Quellen:
Alles zeigt der Hitze Wut,
Und kraftlos schmachten Mensch und Tier,
Am Boden hingestreckt.

14.
Rezitativ
Hanne
Willkommen jetzt, o dunkler Hain,
Wo der bejahrten Eiche Dach
Den kühlen Schirm gewährt,
Und wo der schlanken Espe Laub
Mit leisem Gelispel rauscht.
Am weichen Moose rieselt da
In heller Flut der Bach,
Und fröhlich summend irrt und wirrt
Die bunte Sonnenbrut.
Der Kräuter reinen Balsamduft
Verbreitet Zephirs Hauch,
Und aus dem nahen Busche tönt
Des jungen Schäfers Rohr.

15.
Arie
Hanne
Welche Labung für die Sinne!
Welch' Erholung für das Herz !
Jeden Aderzweig durchströmet
Und in jeder Nerve lebt
Erquickendes Gefühl.
Die Seele wachet auf
Zum reizenden Genuß,
Und neue Kraft erhebt
Durch milden Drang die Brust.


16.
Rezitativ
Simon
O seht! Es steiget in der schwülen Luft
Am hohen Saume des Gebirgs
Von Dampf und Dunst ein fahler Nebel auf.
Emporgedrängt dehnt er sich aus
Und hüllet bald den Himmelsraum
In schwarzes Dunkel ein.
Lukas
Hört, wie vom Tal ein dumpf Gebrüll
Den wilden Sturm verkünd't!
Seht, wie von Unheil schwer
Die finstre Wolke langsam zieht
Und drohend auf die Eb'ne sinkt.
Hanne
In banger Ahnung stockt
Das Leben der Natur.
Kein Tier, kein Blatt beweget sich,
Und Todesstille herrscht umher.

17.
Chor
Ach, das Ungewitter naht!
Hilf uns, Himmel!
O wie der Donner rollt!
O wie die Winde toben!
Wo flieh'n wir hin!
Flammende Blitze durchwühlen die Luft,
Von zackigen Keilen berstet die Wolke,
Und Güsse stürzen herab.
Wo ist Rettung?
Wütend rast der Sturm;
Der weite Himmel entbrennt.
Weh' uns Armen!
Schmetternd krachen Schlag auf Schlag,
Die schweren Donner fürchterlich.
Weh' uns, weh' uns!
Erschüttert wankt die Erde
Bis in des Meeres Grund.


18.
Terzett mit Chor
Lukas
Die düstern Wolken trennen sich,
Gestillet ist der Stürme Wut.
Hanne
Vor ihrem Untergange
Blickt noch die Sonn' empor.
Und von dem letzten Strahle glänzt
Mit Perlenschmuck geziert die Flur.
Simon
Zum langgewohnten Stalle kehrt,
Gesättigt und erfrischt
Das fette Rind zurück.
Lukas 
Dem Gatten ruft die Wachtel schon,
Hanne
Im Grase zirpt die Grille froh,
Simon
Und aus dem Sumpfe quakt der Frosch.
Alle drei 
Die Abendglocke tönt!
Von oben winkt der helle Stern,
Und ladet uns zur sanften Ruh.
Männerchor 
Mädchen, Bursche, Weiber, kommt!
Unser wartet süßer Schlaf,
Wie reines Herz, gesunder Leib
Und Tagesarbeit ihn gewährt.
Mädchen, Bursche, Weiber, kommt!
Frauenchor 
Wir geh'n, wir folgen euch.
Gesamtchor
Die Abendglocke hat getönt;
Von oben blinkt der helle Stern
Und ladet uns zur sanften Ruh.



DER HERBST
Der Einleitung Gegenstand ist des Landmanns freudiges Gefühl über die reiche Ernte


19.
Rezitativ
Hanne
Was durch seine Blüte
Der Lenz zuerst versprach;
Was durch seine Wärme
Der Sommer reifen ließ;
Zeigt der Herbst in Fülle
Dem frohen Landmann jetzt.
Lukas
Den reichen Vorrat führt er nun
auf hochbeladnen Wagen ein.
Kaum faßt der weitgefaßten Scheune Raum,
was ihm sein Feld hervorgebracht.
Sein heitres Auge blickt umher,
es mißt den aufgetürmten Segen ab,
und Freude strömt in seine Brust.

Nr. 20
Terzett und Chor
Simon
So lohnet die Natur den Fleiß,
ihn ruft, ihn lacht sie an,
ihn muntert sie durch Hoffnung auf,
ihm steht sie willig bei;
ihm wirket sie mit voller Kraft.
Hanne, Lukas
Von dir, o Fleiß, kommt alles Heil.
Die Hütte, die uns schirmt,
die Wolle, die uns deckt,
die Speise, die uns nährt,
ist deine Gab, ist dein Geschenk.
O Fleiß, o edler Fleiß, von dir kommt alles Heil.
Hanne
Du flößest Tugend ein, 
und rohe Sitten milderst du.
Lukas
Du wehrest Laster ab
und reinigest der Menschen Herz.
Simon
Du stärkest Mut und Sinn
zum Guten und zu jeder Pflicht
Hanne, Lukas, Simon
O Fleiß, von dir kommt alles Heil.
Chor
O Fleiß, von dir kommt alles Heil.

Nr.21
Rezitativ
Seht, wie zum Haselbusche dort
Die rasche Jugend eilt!
An jedem Aste schwinget sich
Der Kleinen lose Schar,
Und der bewegten Staud' entstürzt
Gleich Hagelschau'r die lockre Frucht.
Simon
Hier klimmt der junge Bau'r
Den hohen Stamm entlang,
Die Leiter flink hinauf.
Vom Wipfel, der ihn deckt,
Sieht er sein Liebchen nah'n,
Und ihrem Tritt entgegen
Fliegt dann im trauten Scherze
Die runde Nuß herab.
Lukas
Im Garten steh'n um jeden Baum
Die Mädchen, groß und klein,
Dem Obste, das sie klauben,
An frischer Farbe gleich.


Nr.22
Duett
Lukas
Ihr Schönen aus der Stadt, kommt her!
Blickt an die Töchter der Natur,
Die weder Putz noch Schminke ziert!
Da seht mein Hannchen, seht!
Ihr blüht Gesundheit auf den Wangen;
Ihr Auge lacht Zufriedenheit,
Und aus dem Munde spricht das Herz,
Wenn sie mir Liebe schwört.
Hanne
Ihr Herrchen, süß und fein, bleibt weg!
Hier schwinden eure Künste ganz,
Und glatte Worte wirken nicht;
Man gibt euch kein Gehör.
Nicht Gold, nicht Pracht kann uns verblenden.
Ein redlich Herz ist, was uns rührt,
Und meine Wünsche sind erfüllt,
Wenn treu mir Lukas ist.
Lukas
Blätter fallen ab,
Früchte welken hin,
Tag und Jahr vergeh'n,
Nur meine Liebe nicht.
Hanne
Schöner grünt das Blatt,
Süßer schmeckt die Frucht,
Heller glänzt der Tag,
Wenn deine Liebe spricht.
Beide
Welch ein Glück ist treue Liebe!
Unsre Herzen sind vereinet;
Trennen kann sie Tod allein.
Lukas
Liebstes Hannchen!
Hanne
Bester Lukas!
Beide
Lieben und geliebet werden
Ist der Freuden höchster Gipfel,
Ist des Lebens Wonn' und Glück.

Nr. 23
Rezitativ
Simon
Nun zeiget das entblößte Feld
Der ungebetnen Gäste Zahl,
Die an den Halmen Nahrung fand
Und irrend jetzt sie weiter sucht.
Des kleines Raubes klaget nicht
Der Landmann, der ihn kaum bemerkt;
Dem Übermaße wünscht 
Er doch nicht ausgestellt zu sein.
Was ihn dagegen sichern mag, 
Sieht er als Wohltat an,
Und willig fröhnt er dann zur Jagd,
Die seinen guten Herrn ergötzt.


Nr. 24
Arie
Simon 
Seht: auf die breiten Wiesen hin!
Seht, wie der Hund im Grase streift!
Am Boden suchet er die Spur
Und geht ihr unablässig nach.
Jetzt aber reißt Begierd' ihn fort;
Er horcht auf Ruf und Stimme nicht mehr;
Er eilet zu haschen - da stockt sein Lauf.
Nun steht er unbewegt wie Stein.
Dem nahen Feinde zu entgeh'n,
Erhebt der scheue Vogel sich,
Doch rettet ihn nicht schneller Flug.
Es blitzt, es knallt, ihn erreichet das Blei
Und wirft ihn tot aus der Luft herab.

Nr. 25
Rezitativ
Lukas
Hier treibt ein dichter Kreis
Die Hasen aus dem Lager auf.
Von allen Seiten hergedrängt,
Hilft ihnen keine Flucht.
Schon fallen sie und liegen bald
In Reihen freudig hingezählt.

Nr. 26
Chor der Landleute und Jäger
Männer
Hört das laute Getön,
Das dort im Walde klingt!
Frauen 
Welch ein lautes Getön
Durchklingt den ganzen Wald!
Alle 
Es ist der gellenden Hörner Schall,
Der gierigen Hunde Gebelle.
Männer
Schon flieht der aufgesprengte Hirsch,
Ihm rennen die Doggen und Reiter nach.
Alle 
Er flieht, er flieht. O wie er sich streckt!
Ihm rennen die Doggen und Reiter nach.
O wie er springt! O wie er sich streckt!
Da bricht er aus den Gesträuchen hervor,
Und läuft über Feld in das Dickicht hinein.
Männer
Jetzt hat er die Hunde getäuscht;
Zerstreuet schwärmen sie umher.
Alle 
Die Hunde sind zerstreut;
Sie schwärmen hin und her.
Jäger 
Tajo,tajo,tajo!
Männer 
Der Jäger Ruf, der Hörner Klang
Versammelt aufs neue sie.
Alle 
Ho, ho! Tajo, ho, ho!
Mit doppeltem Eifer stürzet nun
Der Haufe vereint auf die Fährte los.
Jäger 
Tajo!
Frauen 
Von seinen Feinden eingeholt,
An Mut und Kräften ganz erschöpft,
Erlieget nun das schnelle Tier.
Männer
Sein nahes Ende kündigt an
Des tönendes Erzes Jubellied,
Der freudigen Jäger Siegeslaut.
Jäger 
Halali!
Frauen 
Den Tod des Hirsches kündigt an
Des tönenden Erzes Jubellied,
Der freudigen Jäger Siegeslaut.
Jäger 
Halali!
Alle 
Den Tod des Hirsches kündigt an
Des tönenden Erzes Jubellied,
Der freudigen Jäger Siegeslaut.
Halali!


Nr. 27
Rezitativ
Hanne
Am Rebenstocke blinket jetzt
Die helle Traub' in vollem Safte,
Und ruft dem Winzer freundlich zu,
Daß er, zu lesen sie, nicht weile.
Simon
Schon werden Kuf' und Faß
Zum Hügel hingebracht,
Und aus den Hütten strömet
Zum frohen Tagewerke
Das muntre Volk herbei.
Hanne
Seht, wie den Berg hinan
Von Menschen alles wimmelt!
Hört, wie der Freudenton
Von jeder Seit' erschallet!
Lukas 
Die Arbeit fördert lachender Scherz
Vom Morgen bis zum Abend hin,
Und dann erhebt der brausende Most
Die Fröhlichkeit zum Lustgeschrei.


Nr. 28
Chor
Juhhe! Juhhe! Der Wein ist da,
Die Tonnen sind gefüllt.
Nun laßt uns fröhlich sein,
Und juhhe, juhhe, juch!
Aus vollem Halse schrei'n!
Männer
Laßt uns trinken!
Trinket, Brüder!
Laßt uns fröhlich sein!
Frauen 
Laßt uns singen!
Singet alle!
Laßt uns fröhlich sein!
Alle
Juhhe, juhhe, juh! Es lebe der Wein !
Männer
Es lebe das Land, wo er uns reift!
Es lebe das Faß, das ihn verwahrt!
Es lebe der Krug, woraus er fließt !
Kommt, ihr Brüder!
Füllt die Kannen !
Leert die Becher!
Laßt uns fröhlich sein!
Alle 
Heida! Laßt uns fröhlich sein
Und juhhe, juhhe, juh!
Aus vollem Halse schrei'n!
Juhhe, juh! Es lebe der Wein!
Frauen
Nun tönen die Pfeifen
Und wirbelt die Trommel.
Hier kreischet die Fiedel,
Da schnarret die Leier
Und dudelt der Bock.
Männer 
Schon hüpfen die Kleinen
Und springen die Knaben;
Dort fliegen die Mädchen
Im Arme der Bursche
Den ländlichen Reih'n.
Kinder
Heisa, hopsa! Laßt uns hüpfen!
Männer 
Ihr Brüder, kommt!
Frauen 
Heisa, hopsa! Laßt uns springen!
Männer
Die Kannen füllt!
Frauen 
Heisa, hopsa! Laßt uns tanzen!
Männer
Die Becher leert!
Alle
Heida, laßt uns fröhlich sein!
Und juhhe,juhhe,juh!
Aus vollem Halse schrei'n!
Männer
Jauchzet, lärmet!
Springet, tanzet!
Lachet, singet!
Nun fassen wir den letzten Krug
Alle 
Und singen dann in vollem Chor
Dem freudenreichen Rebensaft!
Heisa, hei, juhhe, juh!
Es lebe der Wein, der edle Wein,
Der Grillen und Harm verscheucht!
Sein Lob ertöne laut und hoch
In tausendfachem Jubelschall!
Heida, laßt uns fröhlich sein!
Und juhhe, juhhe, juh
Aus vollem Halse schrei'n!



DER WINTER
Die Einleitung schildert die dicken Nebel, womit der Winter anfängt


Nr. 29
Rezitativ
Simon
Nun senket sich das blasse Jahr,
Und fallen Dünste kalt herab.
Die Berg' umhüllt ein grauer Dampf,
Der endlich auch die Flächen drückt,
Und am Mittage selbst
Der Sonne matten Strahl verschlingt.
Hanne
Aus Lapplands Höhlen schreitet her
Der stürmisch düstre Winter jetzt.
Vor seinem Tritt erstarrt
In banger Stille die Natur.


Nr. 30
Cavatine
Hanne
Licht und Leben sind geschwächet,
Wärm und Freude sind verschwunden.
Unmutsvollen Tagen 
folget schwarzer Nächte lange Dauer.


Nr. 31
Lukas
Gefesselt steht der breite See,
Gehemmt in seinem Laufe der Strom.
Im Sturze vom türmenden Felsen hängt
Gestockt und stumm der Wasserfall.
Im dürren Haine tönt kein Laut;
Die Felder deckt, die Täler füllt
Ein' ungeheure Flockenlast.
Der Erde Bild ist nun ein Grab,
Wo Kraft und Reiz erstorben liegt,
Wo Leichenfarbe traurig herrscht,
Und wo dem Blicke weit umher
Nur öde Wüstenei sich zeigt.


Nr. 32
Arie
Lukas
Hier steht der Wand'rer nun,
Verwirrt und zweifelhaft,
Wohin den Schritt er lenken soll.
Vergebens suchet er den Weg;
Ihn leitet weder Pfad noch Spur.
Vergebens strenget er sich an
Und watet durch den tiefen Schnee;
Er find't sich immer mehr verirrt.
jetzt sinket ihm der Mut,
Und Angst beklemmt sein Herz,
Da er den Tag sich neigen sieht,
Und Müdigkeit und Frost
Ihm alle Glieder lähmt.
Doch plötzlich trifft sein spähend Aug'
Der Schimmer eines nahen Lichts.
Da lebt er wieder auf;
Vor Freuden pocht sein Herz.
Er geht, er eilt der Hütte zu,
Wo starr und matt er Labung hofft.


Nr. 33
Rezitativ
Lukas
Sowie er naht, schallt in sein Ohr,
Durch heulende Winde nur erst geschreckt,
Heller Stimmen lauter Klang.
Hanne
Die warme Stube zeigt ihm dann 
Des Dörfchens Nachbarschaft,
Vereint in trautem Kreise,
Den Abend zu verkürzen
Mit leichter Arbeit und Gespräch.
Simon 
Am Ofen schwatzen hier
Von ihrer Jugendzeit die Väter.
Zu Körb und Reusen flicht
Die Weidengert' und Netze strickt
Der Söhne muntrer Haufe dort.
Am Rocken spinnen die Mütter,
Am laufenden Rade die Töchter,
Und ihren Fleiß belebt
Ein ungekünstelt frohes Lied.

Nr. 34
Spinnerlied
Frauen und Mädchen
Knurre, schnurre, knurre!
Schnurre, Rädchen, schnurre!
Hanne
Drille, Rädchen, lang und fein,
Drille fein ein Fädelein
Mir zum Busenschleier!
Weber, webe zart und fein,
Webe fein das Schleierlein
Mir zur Kirmesfeier!
Außen blank und innen rein,
Muß des Mädchens Busen sein,
Wohl deckt ihn der Schleier.
Außen blank und innen rein,
Fleißig, fromm und sittsam sein,
Locket wackre Freier.

Nr. 35
Rezitativ
Lukas
Abgesponnen ist der Flachs,
Nun stehn die Räder still.
Da wird der Kreis verengt
Und von dem Männervolk umringt,
Zu horchen auf die neue Mär,
Die Hanne jetzt erzählen wird.

Nr. 36
Lied mit Chor
Hanne
Ein Mädchen, das auf Ehre hielt,
Liebt einst ein Edelmann,
Da er schon längst nach ihr gezielt,
Traf er allein sie an.
Er stieg sogleich vom Pferd und sprach:
Komm, küsse Deinen Herrn!
Sie rief vor Angst und Schrecken: Ach!
Ach ja, von Herzen gern.
Chor
Ei, ei, warum nicht nein?
Hanne
Sei ruhig, sprach er, liebes Kind,
Und schenke mir dein Herz!
Denn meine Lieb ist treu gesinnt,
Nicht Leichtsinn oder Scherz.
Dich mach ich glücklich:
Nimm dies Geld, den Ring, die goldne Uhr,
Und hab ich sonst, was die gefällt,
O sag's und fodre nur!
Chor
Ei, ei, das klingt recht fein!
Hanne
Nein, sagt sie, das wär viel gewagt:
Mein Bruder möcht es sehn,
Und wenn er's meinem Vater sagt,
Wie wird mir's dann ergehn!
Er acvkert uns hier allzunah,
Sonst könnt es wohl geschehn.
Schaut nur, von jenem Hügel da
Könnt Ihr ihn ackern sehn.
Chor
Ho,ho, was soll das sein?
Hanne
Indem der Junker geht und sieht,
Schwingt sich das lose Kind
Auf seinen Rappen und entflieht
Geschwinder als der Wind.
Lebt wohl, rief sie, mein gnädger Herr!
So räch ich meine Schmach.
Ganz eingewurzelt stehet er
Und gafft ihr staunend nach.
Chor
Ha, ha, das war recht fein.

Nr. 37
Rezitativ
Simon
Von dürrem Osten dringt
Ein scharfer Eishauch jetzt hervor.
Schneidend fährt er durch die Luft,
Verzehret jeden Dunst
Und hascht des Tieres Odem selbst.
Des grimmigen Tyranns,
Des Winters Sieg ist nun vollbracht,
Und stummer Schrecken drückt
Den ganzen Umfang der Natur.

Nr. 38
Arie
Simon
Erblicke hier, betörter Mensch,
Erblicke deines Lebens Bild!
Verblühet ist dein kurzer Lenz,
Erschöpfet deines Sommers Kraft.
Schon welkt dein Herbst dem Alter zu;
Schon naht der bleiche Winter sich,
Und zeiget dir das offne Grab.
Wo sind sie nun, die hoh'n Entwürfe,
Die Hoffnungen von Glück,
Die Sucht nach eitlem Ruhme,
Der Sorgen schwere Last?
Wo sind sie nun, die Wonnetage,
Verschwelgt in Üppigkeit.
Und wo die frohen Nächte,
Im Taumel durchgewacht!
Verschwunden sind sie wie ein Traum,
Nur Tugend bleibt.
Sie bleibt allein,
Und leitet uns unwandelbar
Durch Zeit- und Jahreswechsel,
Durch Jammer oder Freude
Bis zu dem höchstem Ziele hin.

Nr. 39
Terzett und Doppelchor
Simon
Dann bricht der große Morgen an,
Der Allmacht zweites Wort erweckt
Zu neuem Dasein uns,
Von Pein und Tod auf immer frei.
Lukas, Simon
Die Himmelspforten öffnen sich;
Der heil'ge Berg erscheint.
Ihn krönt des Herren Zelt,
Wo Ruh' und Friede thront.
Chor
Wer darf durch diese Pforten gehn!
Solisten
Der Arges mied und Gutes tat.
Chor
Wer darf besteigen diesen Berg?
Solisten 
Von dessen Lippen Wahrheit floß.
Chor
Wer darf in diesem Zelte wohnen!
Solisten 
Der Armen und Bedrängten half.
Chor
Wer wird den Frieden dort genießen!
Solisten 
Der Schutz und Recht der Unschuld gab.
Chor
O seht, der große Morgen naht.
O seht, er leuchtet schon!
Die Himmelspforten öffnen sich,
Der heil'ge Berg erscheint!
Vorüber sind, verbrauset sind
Die leidenvollen Tage,
Des Lebens Winterstürme.
Ein ew'ger Frühling herrscht,
Und grenzenlose Seligkeit
Wird der Gerechten Lohn.
Solisten 
Auch uns werd' einst ein solcher Lohn!
Laßt uns wirken, laßt uns streben!
Chor
Laßt uns kämpfen, laßt uns harren,
Zu erringen diesen Preis!
Uns leite deine Hand, o Gott!
Verleih' uns Stärk' und Mut!
Mit Jubelsang dann gehn wir ein
In deines Reiches Herrlichkeit.
Amen.



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