A child of our time (Michael Tippett)
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A child of our time (Michael Tippett)


Teil I

Nr. 1 Chor
Die Welt wendet sich zum Dunklen. Es ist Winter.

Nr. 2 Das Argument
Der Mensch hat die Himmel mit einem Teleskop vermessen, er hat die Götter vertrieben von ihren Thronen. Doch die Seele, betrachtend die Widerspiegelung des Chaos, weiß, daß die Götter zurückkehren. Wahrlich, der lebendige Gott verzehrt den Menschen im Innern, und verwandelt Fleisch in Krebs.


Zwischenspiel

Nr. 3 Szene - Chor und Alt Solo
Ist Böse denn gut? Ist Vernunft unwahr? Vernunft ist in sich selbst wahr. Aber Mitleid bricht das Herz auf. Wir sind verloren. Wir sind wie die Saat im Wind. Wir werden in ein schreckliches Blutbad getrieben.

Nr. 4 Der Erzähler (Baß Solo)
Nun wurden in jedem Land einige durch den Staat ausgegrenzt und gepeinigt, um für die  Fehler der Zeit zu büßen. Pogrome im Osten, Lynchen im Westen; Europa vor einem Krieg des Verhungerns. Und ein gewaltiger Schrei stieg aus dem Volk auf.

Nr. 5 Chor der Unterdrückten
Wann wird des Wucherers Stadt vergehen? Wann wird der Hunger verschwinden aus diesem reichen Land?

Nr. 6 Tenor Solo
Ich habe kein Geld für mein Brot, ich habe nichts, um meine Liebe zu zeigen. Zwischen meinem Verlangen und seiner Vereitelung bin ich gefangen wie zwischen Hammer und Amboß. Wie kann ich reifen und ein Mann werden?

Nr. 7 Sopran Solo
Wie kann ich in solchen Zeiten meinen Mann lieben und für ihn da sein, wie nur eine Mutter werden in einer Welt der Zerstörung? Wie soll ich meinen Kindern zu essen geben bei solch geringem Lohn? Wie kann ich sie trösten, wenn ich tot bin?

Nr. 8 Spiritual (Chor und Soli)
Stiehl dich fort, stiehl dich fort zu Jesus;
Stiehl dich fort, stiehl dich fort - heim
Ich werde nicht lange hier bleiben.
Mein Herr, Er ruft mich durch Donner,
Trompetenklang in meiner Seele,
Ich werde nicht lange hier bleiben.
Des Waldes Bäume neigen sich,
erzitternd stehen die Sünder,
Trompetenklang in meiner Seele,
Ich werde nicht lange hier bleiben.
Stiehl dich fort, stiehl dich fort zu Jesus;
Stiehl dich fort, stiehl dich fort - heim
Ich werde nicht lange hier bleiben.


Teil II

Nr. 9 Chor
Ein Stern steigt empor in der Mitte des Winters. Sieh', ein Mann! Der Sündenbock! Das Kind unserer Zeit.

Nr. 10 Der Erzähler (Baß Solo)
Und es kam eine Zeit, wo in den pausenlosen Verfolgungen eine Rasse für alles stand.

Nr. 11 Doppelchor der Verfolger und Verfolgten
Weg mit denen!
Wohin, wohin? 
Verflucht sie! Tötet sie!
Warum, warum?
Sie verpesten den Staat.
Wie?
Wir haben keine Zuflucht.

Nr. 12 Der Erzähler (Baß, Solo)
Wo sie konnten, flohen sie vor dem Terror. Und unter ihnen entkam heimlich ein Junge und wurde in einer großen Stadt versteckt gehalten.

Nr. 13 Chor der Selbstgerechten
Wir wollen sie nicht in unserem Land haben. Sie sollen weder arbeiten noch Sozialhilfe bekommen. Laßt sie verhungern im Niemandsland!

Nr. 14 Der Erzähler (Baß Solo)
Und des Jungen Mutter schrieb einen Brief.

Nr. 15 Szene (Die Mutter, Onkel und Tante, der Junge) (Solo Quartett)
Die Mutter (Sopran)
Oh mein Sohn! In dem grauenhaften Terror haben sie mich an den Rand des Todes gebracht.
Der Junge (Tenor)
Mutter! Oh Mutter! Obwohl sie mich jagen wie ein wildes Tier, ich will der ganzen Welt trotzen, um zu dir zu kommen.
Die Tante (Alt)
Hab Geduld. Wirf dein Leben nicht weg in nutzlosem Opfermut.
Der Onkel (Baß)
Du bist nur einer gegen alle. Finde dich mit der Ohnmacht deines Menschseins ab.
Der Junge
Nein! Ich muß sie retten.

Nr. 16 Spiritual (Chor und Soli)
Niemand kennt meine Not, oh Herr, 
niemand den Kummer, der mich bedrückt. 
Niemand kennt meine Not, oh Herr, 
niemand so wie Jesus.
Oh Brüder, betet für mich, und helft mir, den Satan zu vertreiben.
Oh Mütter, betet für mich, und helft mir, den Satan zu vertreiben.
Niemand kennt meine Not, oh Herr,
niemand den Kummer, der mich bedrückt.
Niemand kennt meine Not, oh Herr,
niemand so wie Jesus.

Nr. 17 Szene (Duett - Baß und Alt Solo 
Erzähler
Der Knabe verzweifelt in seiner Pein.
Alt
Ein Fluch entsteht. Die dunklen Mächte drohen.
Erzähler
Er geht zu einer Behörde. Man begegnet ihm feindselig.
Alt
Sein anderes Ich wächst in ihm, dämonisch und zerstörerisch.
Erzähler
Er erschießt einen Beamten -
Alt
Jedoch er trifft nur seinen Bruder auf der Seite der Dunkelheit. Und siehe ... er ist tot.

Nr. 18 Der Erzähler (Baß Solo)
Sie nahmen furchtbare Rache.

Nr. 19 Der Terror (Chor)
Brennt ihre Häuser nieder! Zerschmettert ihre Schädel! Rädert sie!

Nr. 20 Der Erzähler (Baß Solo)
Die Menschen waren beschämt über das, was getan wurde. Es gab Bitterkeit und Entsetzen.

Nr. 21 Ein Spiritual des Zorns (Chor und Baß Solo)
Geh' hin Moses, geh nach Ägypten hin,
befiehl dem Pharao, mein Volk ziehen zu lassen.
Als Israel in Ägypten war,
   Laß die Menschen ziehn!
grausam unterdrückt, daß kein Bestehen war,
   Laß die Menschen ziehn!
trat Moses mutig hin und sagte: "So sprach der Herr",
   Laß die Menschen ziehn!
"Falls nicht, werde ich Eure Erstgeborenen töten."
   Laß die Menschen ziehn!
Geh`hin Moses, geh nach Ägypen hin,
befiehl dem Pharao, mein Volk ziehen zu lassen.

Nr. 22 Der Junge singt in seiner Gefangenschaft (Tenor Solo)
All meine Träume sind zerstört, zerbrochen in dieser grauenhaften Wirklichkeit. Das wilde Schlagen meines Herzens ist ruhig geworden: Tag für Tag. Erde und Himmel sind nicht für die im Gefängnis. Mutter! Mutter!

Nr. 23 Die Mutter (Sopran Solo)
Was habe ich dir angetan, mein Sohn? Was wird nun aus uns werden? Die Quellen der Hoffnung sind versiegt. Mein Herz schmerzt in unendlicher Pein.

Nr. 24 Alt Solo
Die dunklen Mächte wachsen an wie eine Flut. Die Herzen der Menschen sind schwer: sie schreien nach Frieden.

Nr. 25 Spiritual (Chor und Sopran Solo)
Oh! für und für, mehr und mehr kann ich meine schwere Last ablegen.
Mein Kleid wird gut passen, ich hab's ausprobiert am Eingang der Hölle
Die Hölle ist tief und voller Verzweiflung,
halt an, oh Sünder, geh`nicht dorthin!
Oh, für und für, mehr und mehr kann ich meine
schwere Last ablegen.


Teil III

Nr. 26 Chor
Die Kälte wird bitter. Die Welt versinkt in den eisigen Fluten. Dort liegt das kostbare Juwel.

Nr. 27 Alt Solo
Die Seele des Menschen ist voller Leidenschaft wie eine Frau. Sie ist alt wie die Erde, jenseits von gut und böse, den fleischlichen Hüllen. Ihr Antlitz wird leuchtend sein wie die Sonne. Dann ist der Tag seiner Erlösung.

Nr. 28 Szene (Baß Solo und Chor)
Baß
Der Weisheit Worte sind diese: die Kälte des Winters bedeutet innere Wärme, der verborgene Lebensquell der Saat.
Chor
Wie sollen wir Geduld haben für die  Vollendung des Mysteriums? Wer wird uns trösten in der Zeit des Untergangs?
Baß
Geduld entspringt der Spannung der Einsamkeit. Der Garten liegt jenseits der Wüste.
Chor
Ist der Mann des Schicksals unser aller Herrscher? Werden die Ausgestoßenen, die Vertriebenen ungerächt bleiben?
Baß
Der Mann des Schicksals ist von der Gemeinschaft ausgeschlossen. Heilung kommt aus dem Schoß der Zeit. Die einfachen Herzens sind, werden am Schluß frohlocken.
Chor
Und was ist mit dem Jungen? Was ist mit ihm?
Baß
Auch er ist verstoßen, sein Menschsein zerbrochen im Widerstreit der Kräfte. Gott überwältigte ihn, das Kind unserer Zeit.

Nr. 29 Chor und Soli
Würde ich meinen Schatten und mein Licht kennen, so wäre ich endlich heil. Fasse Mut, Bruder, wage den schweren Weg. Hier ist keine endlose Trauer, sondern eine immerwährende Hoffnung. Die erwachenden Fluten erneuern die Erde. Es ist Frühling.

Nr. 30 Spiritual (Chor und Soli)
Tiefer Strom, meine Heimat ist jenseits des Jordans, Herr, ich will hinüberfahren in die  ewigen Gründe. Oh, Kinder! Wollt ihr denn nicht hingehn zu dem Himmelfest, zu dem Gelobten Land, dem Land, wo alles Frieden ist? Auf in den Himmel, nehmt meinen Platz ein und legt meine Krone Jesus zu Füßen. Tiefer Strom, meine Heimat ist jenseits des Jordan, Herr, ich will hinüberfahren in die ewigen Gründe. Herr!

Übersetzung von Michael Junglas


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