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(gesendet von Willemien Rietman)

ANTON WEBERN (1883-1945)

II. Kantate op. 31
für Sopran? und Baß-solo, gemischten Chor und Orchester
Text: Hildegard Jone

I
Baß
Schweigt auch die Welt,
aus Farben ist sie immer,
so lang die Sonne scheint.
Die Nachtigall,
wenn nachts kein Farbenschimmer mehr leuchtet,
Freude weint.
Dann klingt es auf,
wenn nichts das Aug mehr bindet,
dann flutet Glanz ins Ohr:
Wenn das beweglich Farbige verschwindet,
tritt das Bewegende im Klang hervor.

II
Baß
Sehr tief verhalten innerst Leben singt im Bienenkorb in stiller Mitternacht,
weil es in ihm noch immer Kunde bringt,
daß Fleiß aus bunter Vielheit Süße macht.
Der Bienenkorb,
das weiße Sternenzelt,
ist dicht durchtropft vom süßen Schöpfungslicht.
Es kreist darin ein jedes Bienlein Welt,
bevor der Schwarm in ewige Frühe bricht.
Das Herz,
der kleinste Bienenkorb,
umgibt die andern alle.
Seinen Honig klärt der eine Imker,
der die Süße liebt der reinen Liebe,
die er voll gewährt.

III
Chor
Schöpfen aus Brunnen des Himmels nach
Wassern des Worts ist das Läuten,
wenn so die menschliche Hand zieht an den Krügen des Klangs.
Sopran
Alle Glocken, die Herzen,
wollen wir läuten, o Menschen!
Nimmer durch Räume der Zeit,
nimmer verstumme ihr Schlag!
Chor und Sopran
Sturmläuten muß man die Liebe!
Chor
Sie komme nicht träge und müde:
Sopran
Nein, sie bewege die Luft,
rühre an innersten Schlaf.
Chor
Komme durch dichtestes Dunkel und lege die Toten zur Ruhe,
Sopran und Chor
wache,
Chor
wo Leben noch glimmt,
daß sie es wecke zu sich.

IV
Sopran
Leichteste Bürden der Bäume
trag ich durch die Räume: die Düfte.
Bring dir der Linde Gestalt,
fernher, aus leisestem Hauch.

V.
Chor
Freundselig ist das Wort,
Sopran
das uns um unsre Liebe zu sich fragt,
Chor
"fürchte dich nicht,
Sopran
ich bin es"
Chor
tröstet durch die Dunkelheit,
Sopran
das mitten unter uns ist,
Chor
wenn wir friedlich sind.
Sopran
Was kann denn anderes mitten unter uns sein als das Wort?
Weil es am Kreuz verstummte,
müssen wir ihm nach,
in allen Ernst der Bitternis ihm folget
unser Hauch.
Doch wenn es wieder aufklingt in der Morgenfrühe,
dann wenden wir uns alle selig
als Geruf'ne um.
Chor
Freundselig ist das Wort.
Sopran
Und wenn du weißt,
daß es um alles Deine weiß,
Chor
dann kennst du es:
Sopran
dann tut's dir weher als der Tod,
Chor
wenn eine Wolke
Sopran
Feindseligkeit:
Chor
der Tränen Mutter
Sopran
sich zwischen dir und ihm erweitert
Chor
und die Kälte schafft.

VI
Chor
Gelockert aus dem Schoße in Gottes Frühlingsraum;
gekommen als das Bloße zu Stern und Mensch und Baum aus Größerem ins Große.
Ein Leben ist gegeben dem Licht von dieser Welt;
sie muß sich neu beleben,
vor seinen Blick gestellt:
der kann der Nacht entheben.
Der kann den Himmel halten und führt zum größten Licht.
Im Friedensschoß gestalten uns,
weil ein Kindlein spricht,
der Liebe Urgewalten.

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